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Bist du zu lieb für diese Welt?

Bist du zu lieb für diese Welt?

Du willst immer allen Ansprüchen genügen? Auf keinen Fall anecken? Dir käme es nie in den Sinn, andere mit deiner schlechten Laune zu belasten? Du erkundigst dich im Gegenteil immer, wie es allen geht? Und gibst dir Mühe, viel Heiterkeit und Wärme zu verbreiten?

Wenn das auf dich zutrifft, bist du vermutlich übermäßig harmoniebedürftig! Du hast dann sicherlich ein sensibles und sanftmütiges Naturell. Dieses Temperament ist angeboren. Natürlich ist überhaupt nichts verkehrt daran, ein friedliebender Mensch zu sein! Die Frage ist aber, wie weit man wegen seiner Harmonieliebe geht! Wenn solche sanftmütigen Charaktere in ihrer Kindheit erfahren haben, dass sie Zuwendung nur dann bekommen, wenn sie die Erwartungen ihrer Bezugspersonen erfüllen, wird aus diesem „Lieb-Kind-Prinzip“ oftmals eine Schutzstrategie im Erwachsenenalter, um weiterhin Anerkennung zu bekommen.

Die Harmoniestrebenden nehmen dann zu wenig Rücksicht auf ihre eigenen Wünsche und Gefühle und unterdrücken sie sogar. Viele verzetteln sich auch in ihrem Wunsch, es allen recht zu machen. Sie machen Zusagen, die sie nicht einhalten können. Die Angst vor einem Konflikt provoziert dann Konflikte, die es sonst vermutlich nicht gegeben hätte.

Die Harmoniesucht kann auch deshalb zu Problemen führen, weil die Betroffenen zwar einerseits ständig mit ihren Gedanken und Bedürfnissen hinterm Berg halten, dadurch aber häufig das Gefühl haben, selbst zu kurz zu kommen. In Beziehungen und Freundschaften erwarten sie oftmals, dass ihr Gegenüber ihre Wünsche einfach erkennen müsse. Ist das nicht der Fall, sind sie gekränkt.

In meiner psychotherapeutischen Praxis übe ich mit Betroffenen, ihr Harmoniestreben in angemessene Bahnen zu führen. Sie sollen ihre liebenswerte Persönlichkeit nicht verleugnen. Aber sie müssen lernen, ihre eigenen Anliegen zu formulieren.

Eine erste Übung bei Harmoniestreben ist:

Überlege dir bitte drei Situationen, in denen du Dinge gemacht hast, die du eigentlich gar nicht machen wolltest – nur um dein Gegenüber nicht zu enttäuschen.

Dann frage dich, ob dieses Verhalten zu deinen Werten passt:

  • Ist es beispielsweise aufrichtig, heikle Dinge einfach zu verschweigen?
  • Ist es nicht authentisch, auch die eigene Meinung kundzutun?
  • Gehört es zu Freundschaften nicht dazu, offen über unterschiedliche Ziele und Träume zu reden?

Bitte bedenke: Du wirst durch die klaren Ansagen keine Sympathiepunkte verlieren. Weil du dadurch für deine Mitmenschen leichter greifbar und transparenter wirst, werden sich deine Beziehungen sogar verbessern.