Psychoblog – Verlustangst

Verlustangst

17.02.2021

Interview Verlustangst

Bei meiner Arbeit als Therapeutin und Beziehungsexpertin habe ich immer wieder mit dem Thema Verlustangst zu tun. Ich möchte dir hier ein paar grundlegende Fragen dazu beantworten, die mir immer wieder gestellt werden.

1. Bis zu welchem Grad ist das Gefühl von Verlustangst ganz normal? Wann wird sie krankhaft?

Verlustangst ist dann normal, wenn ein Anlass dafür gegeben ist.

  • Wenn ich feststelle, dass mein Partner fremdgeht, habe ich einen handfesten Grund zu der Annahme, ich könnte diese Beziehung verlieren.
  • Wenn mein Partner sich distanziert oder offen darüber nachdenkt, Schluss zu machen, ist die Sorge ebenfalls berechtigt.
  • Es ist auch normal, wenn man manchmal große Angst empfindet, dass einem geliebten Menschen etwas zustoßen könnte.

Schwierig wird es, wenn man ständig in Hab-Acht-Stellung ist und eine Trennung erwartet. Entweder ist dann die Beziehung gestört und der Partner vermittelt tatsächlich nicht genug Sicherheit oder die verlustängstliche Person hat ein Problem mit sich und ihrem Selbstwertgefühl.

2. Wie hängen Verlustangst und Selbstwertgefühl zusammen?

Verlust- und Versagensangst sind immer eng mit unserem Selbstwert verknüpft. Oft werden diese Ängste von Glaubenssätzen gespeist, die eine gefühlte Minderwertigkeit ausdrücken. Sehr viele verlustängstliche Menschen tragen – in unterschiedlicher Formulierung – den Glaubenssatz „Ich bin nicht gut genug“ in sich. Die Verlustangst ist dann natürlich groß, weil ihr inneres Kind nicht glauben kann, dass es „gut genug ist“, um wirklich geliebt zu werden.

Das hängt oft auch mit Kindheitserfahrungen zusammen: Wenn ich als Kind nicht erlebt habe, dass Bindungen und Beziehungen etwas sind, worauf ich wirklich vertrauen kann, ist mein Lebensgefühl nicht durch Urvertrauen, sondern durch Urmisstrauen geprägt. Dann bin ich in einer Partnerschaft schnell zu verunsichern, denn ich rechne ja nicht damit, dass eine Bindung etwas Verlässliches und Vertrauenswürdiges ist.

3. Wie zeigt sich eine übergroße Verlustangst? Sind die verlustängstlichen Partner immer diejenigen, die „klammern“?

Aus großer Verlustangst können auch starke Autonomiebestrebungen entstehen. Die Angst motiviert die Betroffenen dazu, sich möglichst unabhängig zu machen. Bevor man verlassen wird, verlässt man lieber selbst.

Wie singt Robbie Williams so treffend? „Before I fall in love, I’m preparing to leave her.“

Ich lasse den Partner also gar nicht erst so wichtig werden, dass der überhaupt die Möglichkeit bekommen kann, mich zu kränken. Manch ein verlustängstlicher Mensch lässt sich auch gar nicht erst auf eine Beziehung ein. Hinter einer Bindungsangst verstecken sich oft tiefe Verlustängste.

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